Siemens Elektrifizierung der Tiefsee unter extremem Druck

Autor / Redakteur: Florian Martini / Stéphane Itasse

In Trondheim arbeiten Siemens-Forscher an der Elektrifizierung der Tiefsee: in einem weltweit einmaligen Labor untersuchen sie, wie sich die Komponenten eines Stromnetzes unter extremem Wasserdruck verhalten. Ziel ist ein tiefseefestes Stromnetz, das künftig große Öl- und Gasfabriken mit Energie versorgen soll – am Meeresgrund in 3000 m Tiefe.

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Die Elektrifizierung der Tiefsee: In Trondheim untersuchen Siemens-Forscher, wie sich Komponenten eines Stromnetzes unter extremem Wasserdruck verhalten.
Die Elektrifizierung der Tiefsee: In Trondheim untersuchen Siemens-Forscher, wie sich Komponenten eines Stromnetzes unter extremem Wasserdruck verhalten.
(Bild: Siemens)

Wie simuliert man die Tiefsee? Ganz klar, mit enorm hohem Druck! So müssen alle Komponenten für eine tiefseefestes Stromnetz im Siemens-Labor in Trondheim einen Härtetest überstehen. „Wir haben hier eine Art Folterkammer für technische Bauteile“, sagt Jan Erik Lystad, Siemens-Forscher in Trondheim, Norwegen. „Dabei setzen wir sie enorm unter Druck. Bis zu 460 bar muss die Technik aushalten – soviel wie in 4600 m Tiefe herrscht.“

Pumpen, Verdichter und Kompressoren müssen unter Hochdruck einwandfrei funktionieren

In Lystads weltweit einzigartiger „Folterkammer“ wird allerdings weniger gequält, als Pionierarbeit geleistet. Hier testen zehn Ingenieure die Pumpen, Verdichter und Kompressoren für ein Stromnetz, das künftige Tiefsee-Fabriken mit Energie versorgen soll, in einem speziellen ölgefüllten Behältern teil über Monate hinweg unter Hochdruck. Danach nehmen sie die Bauteile auseinander und suchen nach feinen Rissen oder Verformungen. Erst wenn die geübten Augen der Prüfer keinen Makel feststellen, gilt die Technik als tiefseetauglich – und wird zu einem kompletten Netz zusammengesetzt.

„Transformatoren, Frequenzumrichter und Schaltanlagen müssen in dieser Umgebung einwandfrei funktionieren und das über einen Zeitraum von 30 Jahren, weil sie dort unten schlecht gewartet werden können“, betont Lystad. „Denn nur wenn der Strom absolut zuverlässig fließt, kann man heutige Bohrinseln quasi auf den Meeresgrund verlegen.“ Ab 2020 plant der norwegische Energiekonzern Statoil solche autarken Öl- und Gasförderanlagen am Meeresgrund.

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Tiefsee-Fabriken sollen sich vom "Strom-Tropf" lösen

Solche autarken Tiefsee-Fabriken mit eigener Stromversorgung gibt es bislang nicht. Zwar arbeiten schon heute einige Anlagen direkt am Meeresboden, die Systeme hängen aber alle am „Tropf“ einer schwimmenden Plattform und müssen über Dutzende Kabel mit Energie versorgt werden. Auch die Verarbeitung der geförderten Rohstoffe geschieht nach wie vor an der Oberfläche. Diese „Subsea-Technologie“ funktioniert nur in seichten Gewässern und ist aufwändig und teuer. Der Großteil der heutigen Öl- und Gasförderung würde sich daher noch auf klassischen Bohrinseln abspielen, sagt Lystad, nur eine Minderheit am Meeresboden. Doch in Zukunft wird sich dieses Verhältnis umkehren, glaubt er. „Der Trend geht zu bislang unerschlossenen Lagerstätten in der Tiefsee und Arktis, die man mit herkömmlicher Technik nur schwer erreichen kann.“

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