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Mit High-Tech an der Weltspitze: Die deutschen Maschinenbauer, die nach Einschätzung ihres Verbandschefs vor einem goldenen Jahrzehnt stehen.

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Hartz IV und Schröders Agenda 2010: Deutscher Maschinenbau vor einem goldenen Jahrzehnt

Zehn Jahre nach der Einführung der Hartz-Gesetze gibt es großes Lob für Gerhard Schröder aus der Industrie. "Die Agenda 2010 war extrem hilfreich", heißt es an der Spitze des deutschen Maschinenbaus. Schröder sei "ohne Frage der Vater des Aufschwungs".

„Ein sozialdemokratischer Bundeskanzler war bereit, sich nach vorne zu bewegen – das war klasse für die Firmen“, sagt Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des Branchenverbandes VDMA dem Tagesspiegel. „Die Agenda 2010 war extrem hilfreich“, sagt Hannes Hesse, Hauptgeschäftsführer des Maschinenbauverbandes VDMA. „Schröder ist ohne Frage der Vater des Aufschwungs, den wir jetzt haben.“ Ein Sozialdemokrat also und nicht die CDU- Kanzlerin, die im kommenden Herbst zehn Jahren im Amt ist und deren Regierung der Industrie in jüngster Zeit einiges zugemutet hat. Zum Beispiel hohe Strompreise im Zuge der Energiewende oder die abschlagsfreie Rente nach mindestens 45 Versicherungsjahren. „Die Rente mit 63 ist sehr ärgerlich, weil sie uns Fachkräfte kostet. Das tut richtig weh“, sagt VDMA-Chef Hesse. Nach dem letzten Stand wollen rund 190.000 Arbeitnehmer quer über alle Branchen und Regionen mit 63 in Rente gehen.

Die Kernbranche der Industrie ist bärenstark

Mit einer Million Mitarbeitern ist der Maschinenbau die größte Industriebranche hierzulande. Und obwohl 2014 die Produktion fast stagnierte, geht es den 6000 Firmen bestens. Auch deshalb, weil die schwere Finanz- und Konjunkturkrise 2009 gut weggesteckt wurde; seitdem steigt die Beschäftigung kontinuierlich. „Für 2015 sind wir optimistisch, es müsste im Zyklus weiter nach oben gehen“, glaubt Hesse, der nach einem guten Dutzend Jahre als hauptamtlicher VMDA-Chef Ende Januar in Rente geht. Und überaus zufrieden zurückblickt. Die Unternehmen seien heute „viel stabiler, weil sie massiv ihr Eigenkapital erhöht haben, um sich vor Risiken zu schützen“. Die Kernbranche der deutschen Industrie ist so stark wie noch nie.

"Schröder hatte eine Bombe gezündet"

„Zur Jahrtausendwende galt der Maschinenbau als eine reife Industrie. Heute ist das High-Tech pur in einer Zukunftsindustrie, die von vielen als wichtiger angesehen wird als die Autoindustrie." Ingenieure und Informatiker machen fast ein Fünftel aller Beschäftigten im Maschinenbau aus. Ein Anteil am Welthandel von gut 16 Prozent macht die Branche zum führenden Anbieter auf den Weltmärkten, vor den USA und China. Und in 16 von 31 international vergleichbaren Fachzweigen ist der deutsche Maschinen- und Anlagenbau Weltspitze. Vor 20 Jahren sah das anders aus. Damals erschütterte eine Konjunktur- und Strukturkrise die Industrie und vor allem Werkzeugmaschinenbauer gingen kaputt.

„Durch die Integration von Elektrotechnik und Software ist der Maschinenbau bärenstark geworden“, erklärt Hesse den Wandel in den vergangenen Jahre. Und bei der Lösung aller wichtigen Zukunftsfragen – rund um Ernährung, Wasserversorgung, Energie, Klimawandel und Rohstoffgewinnung – ist sind die deutschen Tüftler dabei. „Der Maschinenbau hat viele Lösungen für ein besseres Leben, für die Zukunft der Menschheit. Wir brauchen aber auch die Akzeptanz für die Industrie, für Technologien und Verfahren“, sagt der Verbandschef.

Auch heute noch, fast zwölf Jahre nach der Vorstellung der Agenda 2010 durch den damaligen Bundeskanzler, ist Hesse hin und weg. „Uns war klar, dass war ein Bombe, die Gerhard Schröder da gezündet hat.“ Die Sprengkraft zerriss die SPD – und gab der Wirtschaft einen Schub. „Ein sozialdemokratischer Bundeskanzler war bereit, sich nach vorne zu bewegen – das war klasse für die Firmen“, erinnert sich Hesse. Die Öffnungen auf dem Arbeitsmarkt – Hartz-Programme, Erleichterung der Zeitarbeit und der Minijobs – „sind entscheidende Faktoren gewesen für den Aufschwung“. Und was ist heute?

"Die Digitalisierung kommt nicht so schnell"

Die Stellung auf dem Weltmarkt ist jedenfalls noch stärker geworden, „wir sind den Wettbewerbern weit voraus und können aufgrund unserer Prozesse auch kleine Losgrößen profitabel produzieren“, beschreibt Hesse das besondere Profil der deutschen Maschinenbauer, das im Laufe der Zeit immer ausgefeilter wurde. „Wenn eine deutsche Firma zum Beispiel eine Spanplattenanlage irgendwo auf der Welt baut, dann übernimmt sie häufig auch die Ausbildung der Mitarbeiter, die Wartung und den Service – also die Gesamtprojektverantwortung." Das können die deutschen Mittelständler – und die amerikanischen, japanischen oder chinesischen Maschinen- und Anlagenbauer offenbar nicht annähernd so gut.

Ratschläge sind das Tagesgeschäft eines Verbandsmenschen, und so empfiehlt Hesse der Politik, sich rauszuhalten und „auf keinen Fall“ Begrenzungen beim Einsatz von Werkvertragsarbeitnehmerns einzuführen. „Die haben sich über Jahre bewährt und sind unverzichtbar für die Firmen.“ Zwar teste die Regierung mit der Rente ab 63 und der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns die „Belastungsfähigkeit“ in diesem Jahr der Wirtschaft. Doch trotz Fachkräftemangel, hoher Energiekosten und „mangelnder Beweglichkeit der öffentlichen Hand und der Behörden“ stellt Hesse der Bundesrepublik ein ordentliches Zeugnis aus. „Der Standort ist schon gut.“

Und wenn er das bleibt und die Digitalisierung der Produktion – „die wird kommen, vielleicht aber doch nicht so schnell, wie wir heute vermuten“ – von der deutschen Industrie bewältigt wird, dann kann es nur besser werden. „Der Maschinenbau hat eine glänzende Zukunft, und die Zeit zwischen 2020 und 2030 könnte zum goldenen Jahrzehnt für unsere Branche werden“, glaubt der Verbandschef.

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