Maschinenbau: Fast 8 Milliarden Euro Schaden durch Produktpiraten

Deutschlands Maschinen- und Anlagenbauer schlagen Alarm: Ihre Produkte genießen weltweit einen ausgezeichneten Ruf. Doch das ruft immer mehr Fälscher auf den Plan. Der Branchenverband VDMA warnt: Produktpiraterie kostet die Branche Milliarden.

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Maschinenbau: Fast 8 Milliarden Schaden durch Produktpiraten

(Bild: ABB)

Lesezeit: 4 Min.
Von
  • Harald Schmidt
  • dpa
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Sie fälschen Ersatzteile, Komponenten und sogar ganze Maschinen: Produktpiraten machen Deutschlands Maschinenbauern immer mehr zu schaffen. "Bei uns spielt sich der Schaden in der Bandbreite von fünf bis zehn Prozent vom Umsatz ab", sagt Bruno Lindl, Geschäftsführer Forschung und Entwicklung der ebm-papst Gruppe, zum Anwendertag Produktpiraterie des Branchenverbands VDMA am Dienstag in Frankfurt: "In Euro ausgedrückt geht uns Geschäft im Volumen von 100 bis 150 Millionen Euro pro Jahr verloren. Das ist ein erheblicher Faktor."

Der Mulfinger Hersteller von Elektromotoren und Ventilatoren ist mit dem Problem nicht allein. "71 Prozent der Unternehmen sind von Produkt- oder Markenpiraterie betroffen. Der geschätzte Schaden für den deutschen Maschinen- und Anlagenbau beträgt 7,9 Milliarden Euro jährlich", rechnet der Branchenverband VDMA in einer Studie vor – und schließt sowohl Fälschungen als auch Plagiate mit ein. Der Unterschied: Plagiate haben das gleiche Design wie das Original, werden aber unter einer anderen Marke verkauft.

Die Schattenwirtschaft im Maschinenbau ist zuletzt auf ein unrühmliches Rekordniveau gestiegen. Ein Ende dieses Trends ist nicht in Sicht, mahnt Steffen Zimmermann, VDMA-Experte für Produkt- und Know-how-Schutz: "Das Thema Digitalisierung wird das Thema Produktpiraterie noch verschlimmern: Dadurch können die Daten und das Know-how einfacher abfließen."

Dabei würde schon der Umsatz in der Schadenshöhe von 7,9 Milliarden Euro der deutschen Schlüsselindustrie knapp 38.000 Arbeitsplätze sichern. Auch Horst Lang, Leitung Global Engineering Quality bei Festo in Esslingen, betont: "Es ist nicht so, dass der Schaden für unsere Existenz bedrohlich wäre. Aber wir merken das durchaus und gehen dagegen vor. Wir haben in China einen Anwalt beschäftigt." Denn nach wie vor kommt das Gros der nachgebauten Maschinen aus China.

Dabei sind die Täter meistens nicht Hinterhofwerkstätten mit widrigsten Bedingungen für die Menschen, die dort arbeiten und die minderwertige Produkte bauen, wie Zimmermann berichtet: "In über 70 Prozent der Fälle ist ein Wettbewerber der Plagiator, zum Teil als Auftraggeber für Firmen in China oder Indien." Nur gut jedes vierte Plagiat (27 Prozent) kommt nach einer VDMA-Umfrage aus "Underground Factories". Dahinter folgen Kunden und Zulieferer.

Die Antwort der mittelständisch geprägten Branche ist Innovation. "Unsere Produkte – Heizungsklima, Lüftung, Kältetechnik – haben einen Lebenszyklus zwischen acht und zwölf Jahren. Es dauert etwa rund drei Jahre, bis wir die ersten Nachahmungsprodukte auf dem Markt sehen", sagt Lindl. Deshalb mache ebm-Papst immer rund 40 Prozent des Umsatzes mit Produkten, die nicht älter sind als vier Jahre.

Nachbauten sind für Kunden interessant, weil sie deutlich billiger sind als das Original. "Der Preisunterschied liegt daran, dass Entwicklungskosten wegfallen, dass weniger Marketingkosten anfallen oder dass das Produkt weniger Features hat", erklärt Zimmermann: "Oder daran, dass schlechtere Rohmaterialien verwendet werden." Deshalb halte ein Plagiat vielleicht auch nicht wie versprochen 10.000 Stunden, sondern nur 2000 Stunden. Außerdem werden in China niedrigere Gehälter bezahlt als hierzulande.

Mitunter könne das für den Kunden am Ende nicht nur teuer werden, weil die nachgebaute Maschine häufiger ausfällt als das Original. Zuweilen sei es auch gefährlich, minderwertige Qualität zu kaufen. Thorsten Oestreich von der Messe Frankfurt berichtet etwa von gefälschten Bremsscheiben, die einem bei Belastung "um die Ohren" fliegen. Zimmermann erzählt von einem nachgebauten Notfallbeatmungsgerät, das aber nicht genügend Druck aufbringen kann, die Luft in einen leidenden Menschen zu pressen.

Immerhin laufe die Zusammenarbeit mit den Behörden in China immer besser. "Auch die Chinesen wollen, dass das Thema Plagiate vom Tisch kommt", sagt Zimmermann. Aus Sicht von Ulrich Demuth von Wika Alexander Wiegand aus dem unterfränkischen Klingenberg sind auch die chinesischen Gerichte hervorragend: "Sie kommen da gut zu ihrem Ziel – außer, wenn die Gegenseite in der Mittagspause mit dem Richter essen geht." Allerdings: "Die Kosten werden durch die Strafen nicht gedeckt", sagt Lindl. Es gehe mehr um die Abschreckung, man könne nicht jedem Nachbau juristisch nachgehen. "Das rentiert sich nicht. Aber wenn unsere Original-Labels hunderttausendfach auf fremde Produkte geklebt werden, schreiten wir ein." (axk)